Die Entwickler von Crytek verstehen ihr Handwerk, ohne Frage. Oder sagen wir mal vom technischen Standpunkt her verstehen sie es. Crysis, Far Cry oder auch Fibble gehören grafisch zu den herausragendsten Spielen, wenn man den Zeitpunkt der Veröffentlichung und die jeweilige Plattform als Grundlage nimmt. Allerdings überrascht die Führungsetage des Frankfurter Entwicklers immer wieder mit Aussagen, die nicht nur so manchen Spieler vor den Kopf stoßen. So auch jüngst geschehen im Interview mit den Kollegen des britischen X360 Magazins. Dort behauptet Cevat Yerli nämlich, dass 60 Prozent eines Spiels immer noch die Grafik ausmachen. Er ist sogar der Ansicht, dass die Grafik das Gameplay antreibt.
Nico bloggt: 60 Prozent eines Spiels macht die Grafik aus, sagt Crytek. Ich bin anderer Meinung!
Optik ist alles?
Als Beispiel führt er an, dass die Leute Crysis wegen der Grafik spielen. Das ist auch durchaus richtig, denn wirklich innovatives oder abwechslungsreiches Gameplay bot der First-Person-Shooter nicht, dafür aber eine fette Optik. Leider auch nur das. Erzähltempo, Atmosphäre und Stil waren alles andere als herausragend. Als weiteres Beispiel nimmt er, wie könnte es auch anders sein, Crysis 3. Auch hier ist es seiner Meinung nach wieder die Grafik, die das Gameplay vorantreibt. Realistisch umknickende Grashalme und eine üppige Vegetation würden dem Spieler ganz neue Möglichkeiten bieten, die Gegner wahrzunehmen. Ist das wirklich so? Im Endeffekt bleibt Crysis 3 nämlich auch nur das, was auch schon der erste Teil war. Ein ziemlich eintöniger First-Person-Shooter. Beide Teile habe ich aufgrund akuter Monotonie und einer ziemlich einfallslosen Geschichte nie zu Ende gespielt. Allerdings hat Yerli durchaus in einem Punkt Recht: Bessere und weiterentwickelte Technologien können, die Betonung liegt hier eindeutig auf können, zu einem besseren Spiel führen. Dass dem aber längst nicht so sein muss, beweisen zahlreiche andere Entwickler.
Gameplay und Stil > Grafik
Ob ein Spiel nun 10 oder 15 Millionen Polygone pro Charakter und 4-fach Anti-Aliasing hat oder nicht, ist im Endeffekt vollkommen irrelevant, so lange die Grafik zum Gameplay passt oder die Spielmechaniken außergewöhnlich gut ist. Beispiel gefällig? Limbo! Grafisch nicht sonderlich anspruchsvoll, aber der Stil passt zur abgedrehten Spielmechanik. Oder auch der Titel Goosegogs. Optisch mit Sicherheit kein Meilenstein, aber auch mehr als zweckmäßig, um nicht sogar zu sagen, dass es recht hübsch ist. Oder nehmen wir Minecraft. Ein absolut fesselndes Spielprinzip mit unterdurchschnittlicher Optik. Mir kommt es eher so vor, als ob der eine oder andere Entwickler, wie eben Crytek, versucht, spielerische Mängel durch eine opulente Optik wettzumachen. Im Prinzip machen nämlich die ganzen "Call of Duty"-Spiele seit Jahren nichts Anderes. Schlauchlevels en masse, respawnende Gegner und kaum Abwechslung im Gameplay. Warum werden die Spiele dennoch gespielt? Weil sie verdammt nochmal ein geiles cineastisches Erlebnis bieten, was sich zugegeben mittlerweile auch ein wenig abgenutzt hat.
Erstmal an die eigene Nase fassen...
Ich habe an sich auch kein Problem mit so einer Aussage, aber dann sollte man auch ein wenig über den eigenen Tellerrand schauen und die innovationsfreudigen Indie-Entwickler sowie mutigen Studios bei einem solchen Statement berücksichtigen und nicht die eigenen Grenzen in Sachen Kreativität unter den Teppich kehren. Just my 2 cents...