Es ist ein spannender Trend: Während es die Schauplätze Fantasy, Mittelalter und Science-Fiction vermutlich schon seit Beginn der Spieleära gibt, hat sich in den letzten Jahren eine weitere, ganz eigene Spielwelt entwickelt – und zwar rund um das Farmleben und das Führen eines virtuellen, landwirtschaftlichen Betriebs. Wenn man einmal von der kostenpflichtigen Downloadspiel-Reihe Landwirtschafts-Simulator absieht, ist sie in der Regel zu finden in der Rubrik der „Aufbauspiele“. Wie einst das Tamagotchi-Ei zielen Aufbauspiele darauf ab, dass der Spieler regelmäßig wieder zu Besuch kommt, um sich um seinen kleinen Bauernhof zu kümmern.
Aufbauspiele: Zwischen Farm-Leben und Business-Modell
Ein Best-of der beliebtesten Farmspiele
Farmerama ist wohl eines der bekanntesten Aufbauspiele für den Browser. Millionen Gamer rund um den Globus säen, ernten und züchten Tag für Tag auf ihrem Online-Gut. Das kostenlose Spiel ist mittlerweile zu einer gigantischen Welt angewachsen, mit unterschiedlichen Jobs zum Erlernen, einer Südseeinsel und zahllosen Events. Neben dem obligatorischen Umgang mit Spielgeld ist das Zeitmanagement in Farmerama ein zentrales Element. Da der Platz begrenzt ist, steht der Spieler vor der Herausforderung das Beste aus der gegebenen Zeit zu machen. Was soll als Nächstes produziert oder hergestellt werden? Da müssen manchmal auch harte Entscheidungen gefällt werden.
Ein anderes Beispiel: Zwar kein kostenlos spielbares Browsergame, aber in Sachen virtuelles Farmen liegt Stardew Valley absolut im Trend, dabei ist das Spiel noch ein wahrer Newcomer. Seit Februar 2016 bahnt es sich unaufhörlich den Weg auf die Festplatten der Farm-Freunde. Eine brandneue Collectors-Edition ist gerade erst herausgekommen. Auch die Auszeichnung mit dem Best-Debut-Award katapultierte das Farm-Spiel im Beliebtheits-Ranking noch weiter nach vorne. Was sich geändert hat, wird vor allem die deutschen Fans erfreuen, denn: Der Bauer lernt endlich die deutsche Sprache. Auch auf Spanisch, Russisch, Chinesisch, Japanisch und sogar Brasilianisch-Portugiesisch ist das Farm-Spiel nun verfügbar. Darüber hinaus hat die neue Edition auch dafür gesorgt, dass es künftig besser um das Glückslevel der Tiere bestellt sein wird.
Auch der Klassiker My Free Farm setzt direkt auf dem Bauernhof an: Auf dem eigenen Landgut fallen sowohl landwirtschaftliche Aufgaben an als auch betriebswirtschaftliche. Neben der Bewirtschaftung der Felder, der Ernte und dem Versorgen der Tiere wird auch mit den Produkten gehandelt, die auf dem Bauernhof erwirtschaftet werden. Insidertipps verraten sogar, welche Gemüsesorten besonders für diejenigen gemacht sind, die weniger Zeit ins Online-Landwirtschafts-Business investieren können: Kürbisse und Tomaten brauchen beispielsweise vergleichsweise lange. Allerdings muss auch bedacht werden: Nur wer häufig auf der My Free Farm aktiv ist, kann den Ertrag steigern. Einsatz lohnt sich, wenn man dabei bleibt.
Das Spiel Goodgame Big Farm folgt einem ähnlichen Ansatz – und ist mindestens ebenso beliebt. Wer hier zum virtuellen Farmer wird, der kann über 45 verschiedene Gebäude ausbauen, hat dafür mehr als 90 Produkte zur Verfügung und kann 100 Deko-Elemente einsetzen. Der Bezug zur Realität wird vor allem in den Produktionskreisläufen sowie beim internationalen Verkauf der Waren unterstrichen. Natürlich darf auch hier der Abwechlsung nicht zu kurz kommen: Die Farm mit Karibik-Flair, Pferdesaison sowie spannende Spiele-Events sorgen dafür, dass Big Farm auch über die große Farm selbst interessant bleibt.
Aufbauspiele als Business-Training nutzen!?
Wie hilfreich sind Farmspiele aber wirklich, wenn es um betriebswirtschaftliches Verständnis aus dem realen Leben geht? Selbst im Browser spielbare Wirtschaftssimulationen wie Industrie Tycoon 2 oder Rail Nation scheinen dahingehend nur ansatzweise Fachkenntnisse zu vermitteln. Nicht viel, folgt man der Argumentation von Marco Rehm, der in seiner Dissertation den ökonomischen Kompetenzerwerb durch kommerzielle Aufbau- und Managerspiele in den Fokus rückt. Jedoch könnte dem Spielen von Aufbauspielen eine ganz andere Bedeutung zukommen. Rehm kommt eigentlich zu dem Ergebnis, „dass das pure Spielen einen verhältnismäßig geringen bis gar keinen Einfluss auf den Erwerb von Wissen und Einstellungen hat“, verweist aber auch auf Befunde, die davon ausgehen, dass Spielen oder die Beschäftigung mit Computerspielen generell dem divergenten und produktivem Denken zu Gute kommen könnten. Also können Aufbauspiele doch betriebswirtschaftliche Kompetenzen, beispielsweise Buchhaltung vermitteln, wenn auch unterschwellig?
Würde ein Online Game grundlegende buchhalterische Themen in den Fokus rücken, hätte es sicherlich das Zeug dazu, einerseits aufzuzeigen, wie wichtig eine ordentlich geführte Buchhaltung ist und, dass auch klassische Buchhaltungsprogramme von namhaften Firmen einer modernen Aufbereitung folgen. Leichte Ansätze und Überschneidungen sind hier und da vorhanden, wie im Fußballmanagerspiel goalunited Legends, in dem es gilt einen Fußballverein zum Erfolg zu führen. Inklusive Investitionsplanung, Transfermarkt und Margenkalkulation. Die Möglichkeiten sind aber noch lange nicht erschöpft: Was beim Zocken am Computer ebenso spielerisch vermittelt werden könnte, könnte vielfältiger nicht sein. Die Palette ähnelt dem Software-Angeboten namhafter Firmen und reicht dabei von kaufmännischen Komplettlösungen bis hin zu diesen Einzelbausteinen:
Anlagenverwaltung
Aufträge & Rechnungen
Buchhaltungsprogramme
Fehlzeitenmanagement
Kassenbuch
Kundenmanagement
Lohn & Gehalt
Lohn- und Gehaltsauskunft
Reisekostenabrechnung
Warenwirtschaft
Für Nischen-Branchen werden entsprechende Spiele angeboten. Im Ladenspiel Der Planer aus den 90er Jahren wird eine LKW-Spedition geleitet. Natürlich kommen hierbei nicht nur Speditionskaufleute auf ihre Kosten. Auch Freunde von Kalkulationen und Rechnungen finden hier Spielspaß kombiniert mit realem Detailbezug. Bei Stadtspielen wie der SimCity-Reihe oder dem Browsergame Rising Cities dürfen die Rathaus-Chefs der Kommunen sich als Bürgermeister ausprobieren. Sportlicher wird’s mit Manager-Titeln wie dem Soccer Manager und dem Eastside Hockey Manager.
Bei Airline Tycoon betreibt der Spieler eine eigene Fluglinie und muss sich sogar mit der lauernden Konkurrenz auseinandersetzen. Während sich die erste Spielvariante auf das Managen einer Fluggesellschaft fokussiert hat (inkl. Auftragsannahme und Erweiterung der Flugzeugflotte) wird’s in der Evolution-Variante deutlich weniger Business-like. Das Zusatzfeature, Flugzeuge zu designen und im Internet mit anderen Airline Tycoon-Fans zu tauschen, weicht die grundlegende Business-Orientierung deutlich auf.
Verglichen mit anderen Spielegenren ist die Auswahl im Bereich der Wirtschaftssimulationen aber trotzdem eher rar gesät. Starke Simplifizierung komplexer Zusammenhänge aus dem realen Leben stehen im Vordergrund. Und auch Voraussicht und Strategie werden immer seltener von den Machern eingefordert. Da ist es nur verständlich, dass der eine oder andere vielleicht auf den Bock eines virtuellen Traktors wechselt, um zumindest dort simulierte Realität mit der Liebe zum Detail zu erleben. Die aktuelle Version des Landwirtschafts-Simulators verkaufte sich wieder millionenfach.